
Printausgabe vom 06.10.2005
Weilbacher radeln zum Eröffnungsspiel
Von Thorsten Remsperger
Weilbach. Die Motivation von Matthias Bernhardt ist ganz simpel. «Ich
bin jetzt 50 Jahre alt – da will man noch mal etwas bewegen», sagt der
Jugendfußball-Trainer von Germania Weilbach. Bernhardt haben sich 17 Personen
angeschlossen, die für die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland eine «Tortour»
planen, wie sie es selbst nennen. Die Interessengemeinschaft will am 27. Mai
in Berlin starten und am 9. Juni pünktlich zum WM-Eröffnungsspiel
an der Münchner Allianz-Arena ankommen – auf dem Fahrrad.
Die
sportliche Herausforderung ist aber nur eines von mehreren ehrgeizigen Zielen
der Hobby- bis Gelegenheits-Radfahrer aus dem Main-Taunus-Kreis, die zwischen
35 und 65 Jahre alt sind. «Wir machen das vor allem für den Fußball-Nachwuchs
und für behinderte Kinder», stellt Bernhardt heraus. Jede Jugendmannschaft
– und zwar nicht nur aus dem Umkreis, sondern aus ganz Deutschland – wird aufgefordert,
sich mit einem Einsatz von mindestens drei Euro an einem riesigen Gewinnspiel
zu beteiligen. Es gebe momentan 103 039 Teams von der F- bis zur A-Jugend unter
dem Dach des DFB, haben die Radfahrer herausgefunden. Wenn sich davon acht Prozent
beteiligen würden, wären knapp 25 000 Euro zusammengekommen, rechnet
Bernhardt vor. Gemeinsam mit Sponsorengeldern hoffen die Fußball-Begeisterten
pro Fahrer für jeden Kilometer einen Euro gesammelt zu haben, also über
35 000 Euro.
20 Prozent von den Einnahmen werden
die Radsport-Begeisterten an die Stiftung Leberecht des Höchster Kreisblattes,
die geistig und körperlich behinderten Kindern hilft, spenden. Das restliche
Geld wollen sie, weil die meisten bei der Germania Mitglied sind, im Rahmen
von zwei Feiern des Weilbacher Fußball-Clubs am 2. und 10. Juni an vier
Gewinner verteilen. In den Lostopf kommt jede teilnehmende Jugendmannschaft.
Bis jetzt haben sich 26 Teams angemeldet. Die meisten davon sind aus dem Fußballkreis
Main-Taunus, aber bis nach Baden-Württemberg zur SG Bettringen hat sich
die Aktion herumgesprochen. Sich so bald wie möglich anzuschließen,
lohnt sich für die Jugendmannschaften, weil unter den ersten 150 Teilnehmern
attraktive Sachpreise wie 20 unterschriebene Lederbälle von Günter
Netzer oder Autogramme von Bayer Leverkusen verschenkt werden.
Ein
weiteres Ziel der strebsamen «WM-Tortour-Gruppe» ist die Völkerverständigung.
Denn jeder Mitfahrer soll jeweils eine der teilnehmenden Nationen vertreten,
wo möglich sogar im Trikot des jeweiligen Verbandes. Ob jedoch die notwendige
Teilnehmerzahl von 32 erreicht wird, ist unsicher. Am 15. Oktober ist der Meldeschluss
für die Radfahrer, die eine besondere Herausforderung suchen.
Das Vorhaben hört sich gut an, steckt aber noch in den Kinderschuhen. Das
WM-Tortour-Team baut bei der Informationsweitergabe auf den «Schneeballeffekt».
Der Krifteler Bundesliga-Schiedsrichter Lutz Wagner bekam Flyer mit, um sie
bei den Bundesliga-Vereinen zu verteilen. Zu den umliegenden Fußball-Kreisen
und -Bezirken wurden Kontakte geknüpft, auch an den HFV und den Deutschen
Fußball-Bund wollen sich die Radfahrer wenden.
Zunächst
einmal stehen jedoch zwei Dinge im Vordergrund: Noch mehr Leute zu begeistern,
sich an der WM-Tortour aktiv zu beteiligen sowie die Vorbereitung auf die nicht
zu unterschätzende körperliche Belastung. Denn auf dem Weg von Berlin
an den WM-Stadien in Leipzig, Frankfurt und Nürnberg vorbei nach München
ist es geplant, pro Tag 110 bis 120 Kilometer auf dem Rad zurückzulegen.
Ein Mal pro Woche trifft sich die Gruppe deshalb schon jetzt zum Training oder
macht es wie Siegfried Dreyer, der jeden Tag die 20 Kilometer zum Arbeitsplatz
auf dem Drahtesel zurücklegt. Eine Krifteler Firma (Rat, Räder, Reisen)
wird nicht nur Ersatzteile für die Gruppe sponsern, sondern auch einen
Pannen-Selbsthilfe-Kurs finanzieren.
Jürgen Tepper hat als erfahrener
Rad-Touristik-Teilnehmer bereits eine Route ausgewählt, die zumeist über
Nebenstraßen führen wird, damit die beiden Begleit-Fahrzeuge mit
den Ersatzteilen und dem Proviant immer in der Nähe sind und eingegriffen
werden kann, wenn etwas passiert. Zwecks Übernachtungen wurden Gemeinden
und Sportvereine der geplanten Zwischenstopps Kemberg, Laucha, Eisenach, Lauterbach,
Marktheidenfeld, Langenzenn und Eichstätt schon angeschrieben.
«Wir werden das Ding auf jeden Fall durchziehen, auch wenn die Resonanz
hinter unseren Erwartungen zurückbleiben sollte», betont der hochmotivierte
Bernhardt, der sich gerade von den Vereinen aus dem Fußballkreis noch
mehr Resonanz erhofft. Am zweiten der beiden Ruhetage, am 3. Juni 2006, hofft
die Interessen-Gemeinschaft, als Zuschauer das ZDF-Sportstudio in Mainz besuchen
zu können. Und bei der Ankunft in München spekulieren die Radfahrer
ein bisschen darauf, trotz der großen Kartennachfrage in die Allianz-Arena
zu gelangen. «Wir würden ja auch gleich wieder rausfahren»,
sagt Jürgen Tepper, «das Spiel vor der Großbildleinwand im
Olympia-Park zu sehen, ist bestimmt aber auch ein einmaliges Erlebnis».
Weitere Informationen zur ungewöhnlichen Aktion im Rahmen der Fußball-Weltmeisterschaft
gibt es im Internet auf der Homepage «www.wm-tortour2006.de».